Partner
Services
Statistiken
Wir
Interview mit NIGHT IN GALES (20.09.2025)

Seit ihrer Rückkehr anno 2018 im ursprünglichen Line-Up haben die deutschen Melodic-Death-Metal-Pioniere NIGHT IN GALES mit vier Alben in sechs Jahren nicht nur ihre bemerkenswerte Schaffenskraft unter Beweis gestellt, sondern machen auch auf der Bühne immer noch mächtig Alarm und zelebrieren ihre Musik mit ansteckender Spielfreude. Die Nachricht, dass die Jungs aus Voerde die Songs ihres Demos "Sylphlike" (1995) neu aufgenommen haben und zum 30. Geburtstag der Band in allerhand klassischen Formaten veröffentlichen werden, ließ vor allem bei langjährigen Fans der Band die Vorfreude in die Höhe schnellen. Denn nach stilistischen Experimenten um die Jahrtausendwende hat sich die Band längst wieder ihrem ursprünglichen Stil angenähert und beweist, wie viel positive Power auch heute noch im Melodic Death Metal transportiert werden kann. Gitarrist und Komponist Jens Basten ließ sich nicht lange bitten, in die wilden Neunziger einzutauchen…
Moin Jens, ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich die frohe Kunde von der Neuaufnahme von "Sylphlike" gelesen habe, denn auch wenn ich für gewöhnlich kein Fan solcher Aktionen bin, habe ich den Eindruck, dass Ihr in den letzten Jahren mit viel frischer Energie und Spaß in den Backen am Start seid. Ihr werdet die Idee einer Neuaufnahme jedoch sicher auch erstmal diskutiert haben, weil ein gewisses Risiko besteht, so eine Aufnahme in den Sand zu setzen, oder? Was hat den Ausschlag pro Neuaufnahme gegeben?
Die Idee für die Neuaufnahme von "Sylphlike" kam recht schnell auf, als wir uns Gedanken gemacht haben, was wir anlässlich unseres 30. Bandjubiläums machen könnten. Und da wir in unserem Gründungsjahr 1995 auch gleich diese MCD veröffentlicht hatten, lag es nahe, dass wir etwas mit diesem Release anstellen würden. Ein Remaster kam nicht in Frage, da man aus dem Ausgangsmaterial, in dem Fall also dem schon sehr komprimierten Master, nicht mehr viel rausholen konnte. Das Ding wurde damals von uns als sehr jungen, im Studio noch komplett unerfahrenen Musikern live an einem Tag eingespielt. Es gab einen Tag, dann drei Stunden für Overdubs, und dann wurde am zweiten Tag gemischt und gemastert. Klar hat das Teil seinen Charme, aber es ist auf gar keinen Fall eine gute Idee, alles, was da aufgenommen wurde, nochmal transparent nach vorne zu mischen, haha. Das soll so bleiben, wie es ist. Also war schnell klar, dass es eine Neuaufnahme sein soll. Kurz die Idee mit Tomasz von Apostasy Records besprochen, und er war sofort dabei. Diese Möglichkeit, unser 30 Jahre altes Demo – denn das war es, wir hatten lediglich entschieden es gleich als CD statt als Tape rauszubringen – ist für eine Band unserer Größenordnung einfach einmalig, denn normalerweise sind es eher Acts wie Blind Guardian, Manowar, Paradise Lost und so weiter, von denen man Re-Recordings kennt, und dort geht es meist eher um Lizenz-Tricksereien bzw. finanzielle Interessen. Ich muss dazu sagen, dass ich Re-Recordings generell recht spannend finde, gerade weil es super schwierig ist, es nicht zu vergeigen. Und wenn es eine Band Jahrzehnte später schafft, die Magie und die Power nochmal einzufangen und die Songs eben nicht zu verhunzen, habe ich nur noch größere Hochachtung für sie. Man kann sich der Aufgabe stellen, oder man lässt es. Wir konnten einfach nicht wiederstehen, haha, und haben es aber auch nicht bereut. Wir waren einfach auch viel zu neugierig darauf, wie diese ersten NIGHT-IN-GALES-Songs im heutigen Soundgewand klingen würden. Und auf "Dawnlight Garden" hatten wir das mit der Neuaufnahme von "A Spark In The Crimson Eclipse" ja auch schon mal ausprobiert, und das hatte ja ganz gut geklappt, denke ich.
Ich kann mir vorstellen, dass Ihr im Vorfeld der Neuaufnahmen quasi über den eigenen Enthusiasmus in jungen Jahren gestaunt habt, der "Sylphlike" ganz weit nach vorne getragen hatte. Welche "Schwachpunkte" habt Ihr bei den ursprünglichen Aufnahmen ausgemacht und was wolltet Ihr 2025 auf jeden Fall "verbessern"? Was war für Euch die größte Herausforderung, und worauf habt Ihr Euch ganz besonders gefreut?
Es ist halt ein Demo, nicht mehr und nicht weniger, haha. Mit allem, was dazu gehört bei einem Demo, also damals, 1995! Man hatte Mühe, die Sachen korrekt aufs Band – ja genau, AUFS BAND!!! – zu kriegen, zumal hatte man nur zwei bis drei Versuche und dazu live. Genau genommen habe ich mit Tobias und Christian (Bass, heute bei Heaven Shall Burn) die Songs live eingeholzt. Dann waren wir Pizza holen. Als wir 30 Minuten später mit der Pizza wiederkamen, stand Frank in der Tür und meinte "ich bin fertig mit meinen Spuren", haha. Das werde ich nie vergessen. Also auch alles first take, nichts ausgebessert. Einfach drauf und fertig. Christian hat dann noch den Gesang aufgenommen, aber auch nicht wie man es mit viel Zeit macht, mit vielen Pausen, einzelne Worte wiederholen, solange bis alles perfekt ist, sondern auch in einem Take die Songs durchgeschrien und dann nur grobe Fehler ausgebessert. Neben dem spielerischen Aspekt ist dann die Produktion der nächste Punkt, den wir verbessern konnten, denn die war schon noch recht weit von Album-Qualität entfernt. Und zu guter Letzt wäre da natürlich auch noch die Verpackung: Die MCD hatte damals nur ein vierseitiges Booklet, wie beim Demo üblich mit Adresse hinten drauf, kein Schnickschnack, nix halt. Wenn man sich dann ausmalt, wie das Ganze mit einem Gemälde von Paolo Girardi, im edlen Gatefold-Vinyl, und in verschiedenen weiteren Formaten wie Digipak-CD und Tape aussehen würde, ich meine, da überlegt man dann nicht lange. Es komplettiert die Sammlung jetzt einfach auch für uns persönlich. Mit diesem Release liegen endlich alle NIGHT-IN-GALES-Songs in einer gut produzierten Version und in einem professionellem Packaging vor. Aus Songschreiber-Sicht kann ich jetzt ruhig schlafen. Es ist sozusagen "alles geregelt". Klar wird es auch bei diesem Release Leute geben, denen Re-Recordings generell nicht gefallen, oder auch solche, die es einfach nicht gut finden wollen, haha. Aber das ist nicht unser Problem. Wir machen es aus den oben genannten Gründen, für uns, und weil es geht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es schon was mit den Leuten machen wird, wenn sie die Songs bald mit nie gehörter Power und Durchschlagskraft hören. Wir haben die Songs übrigens nicht neu interpretiert, wir haben an den Arrangements bewusst nichts verändert. Es ging nur darum, alles mal mit dickem Sound für alle Interessierten und die Nachwelt festzuhalten.
Zwischen den Aufnahmen liegen 30 Jahre, und heute erscheint der Verkauf von rund 7.000 Demos einfach unwirklich. Seid Ihr umso glücklicher, dass der Vorverkauf für "Sylphlike 2.0" gut angelaufen ist und Ihr Euch drei Dekaden später auf eine ziemlich treue Fanbase verlassen könnt, um verschiedene Tonträger-Formate mit Liebe zum Detail realisieren zu können?
Da sagst du was, mit 7.000 Einheiten wären wir heute auf Platz 1 der Deutschen Album Charts, ohne Witz. Aber man muss dazu sagen, dass wir damals natürlich auch viel mit Distros und Labels getauscht haben, Repulse-, Invasion- und Nuclear Blast Records hatten öfters mal 50 bis 150 Stück bestellt oder mit deren Sortiment getauscht. Die getauschten Tonträger haben wir dann auf Konzerten und über den eigens zu diesem Zweck gegründeten "Night Distribution" Mailorder wieder verkauft, um die nächsten Pressungen finanzieren zu können.
Der Vorverkauf für "Sylphlike" ist schon gut angelaufen, wer noch ein Exemplar der zwei limitierten Vinyl-Farben ergattern will sollte sich beeilen, die gibt es nämlich nur bei Bandcamp und dort sind die bei Veröffentlichung meist schon vergriffen. Und ja, wir sind wirklich sehr glücklich und dankbar, dass wir nach so vielen Jahren und auch längeren ruhigeren Phasen die Kurve nochmal gekriegt haben und da draußen wirklich eine stabile Fanbase ist, die sich auf neue Releases freuen und ihre Sammlungen weiter komplettieren wollen.
In den Neunzigern hattet Ihr das Vergnügen, in vergleichsweise kurzer Zeit mit verschiedenen Szenegrößen auf Tour zu gehen und die Bühne zu teilen. Haben sich anno dazumal bereits etablierte Musiker zu Euren "Sylphlike"-Songs so geäußert, dass Ihr das als "Ritterschlag" oder besonderen Ansporn erlebt habt, oder welche Begegnungen haben Euch damals besonders geprägt?
Das mit den großen Namen ist auch so etwas, dass ich heute nicht mehr richtig auf die Reihe kriege, haha. Vor allem passierte das ja alles in drei Jahren, so richtig ging es mit der Europa-Tour mit In Flames 1998 los, kurz danach kam die Dismember-Euro-Tour, Shows mit Cradle Of Filfh, Dimmu Borgir, Cannibal Corpse, dann die Nuclear-Blast-Festival-Touren mit Children Of Bodom, Hypocrisy, Benediction usw., schliesslich die Mini-Tour mit Death, danach noch eine Euro-Tour mit Old Man‘s Child, Gorgoroth, Krisiun, usw. Was oder wer im Speziellen uns dabei geprägt hat, kann wahrscheinlich nur jeder für sich selbst beantworten. Es bleiben so einzelne Situationen im Kopf, so wie das generell mit Erinnerungen ist. Natürlich meist eher die extremen, sehr positive oder auch mal negative Dinge. Und gewiss immer noch viel zu viel, um das hier halbwegs darstellen zu können. Aber schweissnass direkt nach unserer Show mit Death in Hamburg in der Garderobe von Chuck Shuldiner begrüßt zu werden, Zoff mit Peter Tägtgren wegen einem Dreierstecker hinter seinem Gitarren-Rack, oder dass ich das Valvestate Head von Jesper Strömblad bei einer gemeinsamen Coverversion (am letzten Tourtag in München spielten wir gemeinsam deren Depeche Mode Cover von "Everything Counts") wegen falscher Verkabelung kurz geschlossen und damit geschrottet habe, haha. Ich werde auch zum Beispiel die Bilder nicht los, wie Tobbe der Sarah von Cradle Of Filth aus dieser großen Schüssel Schokoladenpudding gefüttert hat, sowas bleibt einfach hängen. Max von Krisiun hat mir beim Zähneputzen so eindringlich gepredigt, wie wichtig es ist, durch regelmäßiges Putzen seine Zähne zu erhalten, das ist auch sowas, das immer wieder aufblitzt. Du merkst schon, es sind total unterschiedliche Szenen. Die Japan-Tour mit Defleshed und Dew-Scented war dann zur Jahrtausendwende übrigens gleichermaßen der Peak und auch das Ende dieser Ära. Über die Musik an sich wurde aber insgesamt eher wenig gesprochen, das war meist das Standardgebrabbel unter Musikern, sich ne gute Show zu wünschen und nachher zuzurufen dass die Show sehr "great" war, usw. Da macht eher jeder so sein Ding und gut ist, also um nochmal zu deiner eigentlichen Frage zurückzukommen.
Als Ihr anno 2018 mit "The Last Sunsets" einen Neustart mit Christian als Sänger hingelegt habt, klang bereits bei der Farbgebung des Cover Artworks eine Rückbesinnung auf Eure Wurzeln an, und irgendwie verbinde ich Eure Musik auch vor allem mit diesem feurigen Farbspektrum. Wie wichtig war es Euch, dass die Neuaufnahme von "Sylphlike" ästhetisch auf den ersten Blick wiederzuerkennen ist?
Das war sehr wichtig, also dass das Artwork im Grunde so beibehalten werden soll. Paolo Girardi hatte sogar zuerst nur den Auftrag, das Foto-Artwork von "Sylphlike" nur 1:1 nachzumalen, und nicht weiter zu interpretieren oder zu verändern. Als er dann aber den ersten Entwurf auf seiner Staffelei zeigte, war schnell klar, dass es etwas mehr sein musste. Er hat dann genialerweise mit seinen typischen Skulls und Fratzen den Wolkenschleiern ein unheilvolles Leben eingehaucht, aber nur gerade so schemenhaft, dass man es erst auf den zweiten Blick wahrnimmt. Die perfekte Lösung aus meiner Sicht. Wie Arsch auf Eimer passt das. Es ist etwas Altes und zugleich etwas Neues, genau wie mit es sich mit der Musik auf der Neuaufnahme verhält. Die Farbgebung auf dem Artwork für "The Last Sunsets" war damals bewusst an "Sylphlike" angelehnt, damit auf den ersten Blick klar wird, dass wir hiermit musikalisch wieder zu unserem Ursprung zurückgekehrt sind.
In den frühen Neunzigern war ich hin und weg, als ich "Skydancer" und "Lunar Strain" entdeckte und sich mir eine neue musikalische Welt eröffnete, die mehr zu bieten hatte als der ursprüngliche Death Metal. Dass eine junge Band aus NRW plötzlich mit einem ähnlichen Stil für Furore sorgte, war für einige Freunde und mich etwas Besonderes. Habt Ihr damals realisiert, dass Ihr da eine durchaus innovative Rolle gespielt habt, während Ihr den Melodic Death Metal heutzutage gegen Verwässerung durch moderne Einflüsse "verteidigt"?
Wir haben die Death-Metal-Szene damals genauso wie du es beschreibst sehr schnell in einer Sackgasse gesehen, da lag die Lösung in der Integration von mehr Melodien, sei es im traditionellen Stil à la Maiden, Priest und Thin Lizzy, oder die melancholische Richtung der UK Death-Doom-Bands wie Paradise Lost, My Dying Bride und Anathema nahe. At The Gates waren mit "The Red In The Sky…" die Ersten, "Skydancer" und "Lunar Strain" folgten und dann ging es Schlag auf Schlag. In Schweden waren Therion, Eucharist und Desultory noch wichtig, in Finnland natürlich Amorphis, Xysma und Sentenced. Dissection und Cradle Of Filth werden in der Diskussion oft vergessen, weil sie eher dem Black Metal zugeordnet werden. Musikalisch waren sie aber für die Entwicklung des Stils ebenso prägend aus meiner Sicht. Wir waren wohl wirklich die ersten außerhalb Schwedens, die diesen Stil spielten. Da wir zunächst nicht so tief gestimmt waren und zudem in hiesigen Tonstudios statt in Schweden aufgenommen hatten, klangen wir auch nie genauso wie die Schweden. Insofern war das schon innovativ, vor allem natürlich aus heutiger Sicht, wo viele Bands ein Vorbild so exakt wie möglich kopieren wollen und nichts mehr dem Zufall überlassen wird. Ich würde das, was wir heute machen, gar nicht mal als Verteidigung des Stils bezeichnen. Es ist eher wieder genau der gleiche Beweggrund wie zu Beginn der Band damals: Wir spielen ganz einfach nur die Musik, von der es aus unserer Sicht zu wenig Neues gibt. Ist das dann Nostalgie-Metal? Vielleicht ein bisschen.
Danke für Deine Zeit und macht bloß so weiter!
Danke Dir, Thor, für das coole Interview. Hat Spaß gemacht, mal wieder in der Mottenkiste der Erinnerungen zu wühlen. Aufs nächste Mal!
- Night In Gales - Promo 2004 (2004)
- Night In Gales - Five Scars (2011)
- Night In Gales - The Last Sunsets (2018)
- Night in Gales - Dawnlight Garden (2020)
- Night in Gales - Black Stream (2023)
- Night in Gales - Shadowreaper (2024)