Partner
Services
Statistiken
Wir
We Lost The Sea: A Single Flower (Review)
Artist: | We Lost The Sea |
![]() |
Album: | A Single Flower |
|
Medium: | CD/Download/Do-LP | |
Stil: | Post Rock |
|
Label: | Bird's Robe Records/dunk!records/Translation Loss Records/New Noise | |
Spieldauer: | 70:44 | |
Erschienen: | 22.08.2025 | |
Website: | [Link] |
Sechs Jahre ließen sich die kanadischen Post-Rocker von WE LOST THE SEA tatsächlich Zeit, um ihrem schaurigen Instrumentalwerk mit dem dystopischen Konzept „Triumph & Desaster“, in dem es um eine Mutter geht, die mit ihrem Sohn in einer postapokalyptischen Welt um's nackte Überleben kämpft, einen würdigen Nachfolger hinterherzuschieben, der einen fast romantischen Titel – eine einzelne Blume – trägt, aber so nur das Grauen und den Tod dahinter verschleiert, das uns dann in Musik und Booklet erwartet.
Auf „A Single Flower“ geht diese erschreckende Dystopie mit neuen Worten und sechs instrumentalen Stücken, die sich mitunter zu echten Longtrack-Brocken entfalten, weiter.
Vieles von den Schrecken, die wir seitdem ertragen mussten (Pandemien, Kriege, politische Umwälzungen, unkoordinierte Fluchtbewegungen, verbunden mit Islamisierung und Gewalt sowie dem Verlust der eigenen Kultur), spiegeln sich in dieser einen zärtlichen und so sehr zerbrechlichen wie gefährdeten Blume wieder, die WE LOST THE SEA auf ihrem aktuellen Album „A Single Flower“ und dem Cover mit dem getöteten schwarzen Vogel, aus dem diese einsame blutrote Blume erwächst, wider.
Hinter jedem Instrumentalstück verbirgt sich (zumindest aus Sicht der australischen Post-Rocker) eine ganz bestimmte Geschichte (und zugleich eine ganz bestimmte, auf der vorletzten Seite des Booklets beschriebene Blume), die kurz im 16-seitigen Booklet erzählt wird – und mitunter tatsächlich zur Folge hat, dass dadurch die Musik dahinter und deren Entfaltung vom Hörer intensiver (auch für sich) eingeordnet werden kann.
Die grundsätzlich typischen Post-Rock-Strukturen werden hierbei fast durchgängig eingehalten: also sich langsam erhebende Klänge, bei denen besonders die Gitarren und das Schlagzeug eine treibende Wirkung erzeugen, die in einem Koloss enden, der zum Schluss hin oft langsam abbröckelt. Ein Rezept, das auch bei den sechs Herren aus Perth griffig, mitunter gar faszinierend, funktioniert. Allerdings gibt es hinter diesem Ansatz jede Menge Vergleichsmöglichkeiten, weil sich das Universum der Post-Rock-Instrumental-Bands mehr und mehr ausbreitet – ja, bis fast zur Unendlichkeit. Im Falle von WE LOST THE SEA dürfen alle aufhorchen, denen MOGWAI und GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR oder all deren kanadischen Ableger am Herzen liegen. Wer die von diesen oder ähnlichen Vertretern nicht genug bekommen kann, ist mit WE LOST THE SEA bestens bedient.
Noch dazu lebt das Album von durchaus abwechslungsreichen Stimmungen. Der zweite Song „A Dance With Death“, dem übrigens eine weiße Rose und damit auch eine Parallele zum antifaschistischen Widerstandskampf in Deutschland der Geschwister Scholl unter dem gleichen Namen sowie ein Zitat von Kurt Vonnegut zugeordnet wird, besticht durch ein komplexes Schlagzeugspiel, welches sich, besonders mit der Snare, dem tanzenden Tod entgegenzustellen scheint und ihn wegzutrommeln versucht.
„The Gloaming“ dagegen wartet mit zerbrechlichem Piano-Geklimper und melodramatischem Cello auf und klingt beinahe wie eine Art Intro zu dem folgenden epischen Monumentalwerk, das uns dann abschließend mit seiner sich melodramatischen Laufzeit von über 27 Minuten erwartet, die einen bei diesen Klängen sowie einem Shakespeare-Zitat und seiner Mohnblume mitunter in regelrechte Angstzustände versetzt. So treibt das letzte Stück mit dem schaurigen Titel „Blood Will Have Blood“ es regelrecht auf die, sehr progressiv ausgerichtete Post-Rock-Spitze und entfaltet sich nach und nach zu einem fatalistisch-wutentbrannten Inferno, in dem sogar mit Bolero-Rhythmen die Spannung erhöht wird - ein Post-Rock-Bolero so gesehen, der in seiner symphonischen Ausrichtung den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert: Shakespearesche Dramatik umgesetzt in einem Post-Rock-Ungetüm, das alle guten und bösen Geister heraufzubeschwören scheint und die Frage nach dem „Sein oder Nichtsein“ auf einer ganz neuen musikalischen Ebene aufwirft. Hier erhebt sich die einsame Blüte (auch auf dem Cover ist es die Mohnblume) aus dem toten Körper und lässt daraus neues Leben entstehen. Ein Opfer, das sich gelohnt hat – umgesetzt mit Musik, die ebenso lohnenswert ist.
FAZIT: Verloren im See begeben sich die kanadischen Postrock-Giganten auf die Suche nah einer einsamen Blume, hinter der die schrecken dieser Welt lauern – und die von Shakespeare bis Frida Kahlo inspiriert sind (Alles in vorbildlicher Weise auch im 16-seitigen Booklet zur CD verewigt). WE LOST THE SEA schaffen auf „A Single Flower“ kleine bis riesengroße Post-Rock-Epen, die sich bis zu einer halben Stunde langsam, aber immer gewaltiger entfalten können und einen wie ein sich langsam anschleichendes Monster völlig überraschend und unvermittelt umklammern und nicht mehr loslassen. Echte instrumentale Monolithen, welche sich angenehm aus dem tiefen Post-Rock-Sumpf wie die besagte grellrote einzelne (Mohn-)Blume mit all ihrer Suchtwirkung aus einem toten Körper erheben und dabei ihre ganze bedrohliche Schönheit entfalten.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- If They Had Hearts
- A Dance With Dead
- Everything Here Is Black And Blinding
- Bloom (Murmurations at First Light)
- The Gloaming
- Blood Will Have Blood
- Bass - Kieran Elliott
- Gitarre - Matt Harvey, Carl Whitbread, Mark Owen
- Keys - Matthew Kelly, Mark Owen
- Schlagzeug - Alasdair Belling
- Sonstige - Matt Harvey (Noise)
- Triumph & Disaster (2019) - 8/15 Punkten
- A Single Flower (2025) - 13/15 Punkten
-
keine Interviews
Kommentare | |
Ralph
gepostet am: 08.09.2025 |
Hallo,
sorry, aber "We lost the Sea" ist eine australische und keine kanadische Band. Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/We_Lost_the_Sea |
Thoralf
gepostet am: 08.09.2025 |
Stimmt genau, Ralph! Die Band stammt aus Sydney. Da habe ich etwas wegen der Vergleiche mit den typischen kanadischen Post-Rock-Bands durcheinandergebracht. |